Ei, wild Ei

Als ich frühmorgens aus meinem Ei schlüpfte, flackerte Gevatter Mond braungelblich am Horizont. Als er mich erblickte, zerfror er & blieb stehen. Ich stieg aus meiner Stätte & schlug meine Klauen in den Grund. Ferne sah ich einen Haufen Wesen in Baumverschlägen. Ich klaubte einige zusammen & verschluckte alles. Ich suchte etwas. Die Königin der Kriechtiere. Ich wusste fast nichts, doch soviel; ich musste sie finden, um mich mit ihr zu vereinen & den Herrn der letzten Tage zu zeugen. Sonst wusste ich nichts. & lief & suchte.

Das politische Zitat oder: Wie revolutionär sind Deutsche?

Döblin schildert revolutionäre Garden, die 1918 die Millionen Reichsmark der Berliner Reichsdruckerei quasi besaßen, aber leider…

Denn man kam an die schönen Millionen nicht heran. Warum nicht? Die Scheine lagen in den Gewölben, und die Revolutionäre hatten die Schlüssel nicht, und schließlich wird ein deutscher Revolutionär nicht stehlen und einbrechen. Die Schlüssel besaßen die schlimmen Geheimräte der Reichskanzlei, die gaben sie nicht heraus. Überall belästigten die Geheimräte die Revolution in Deutschland und hemmten ihren Siegeslauf. Die ganzen Tage, die die Revolutionäre das Gebäude besetzten, brachten sie damit zu, auf die Geheimräte einzureden, sie anzuflehen und zu beschwören, doch bitte, bitte, die Gewölbe zu öffnen. Die Herren wollten nicht. Sie zeigten die Schlüssel, aber sie sagten. „Wir öffnen nicht.“ Es war zum Verzweifeln.

Hasta la victoria siempre,
Doc Totte

Er – Teil 3 (Ende)

Ich zögerte einen Moment. Schüchtern fragte ich „Wer?“ Ich wollte wissen „Bis wer kommt?“ Ich glitt die letzte Stufe hinab. Das Mädchen blieb wie angewurzelt stehen, fixierte mich und sagte „Du musst warten, bis er kommt!“ Unwillkürlich drehte ich meinen Kopf um. Ich blickte um mich, um zu sehen, ob jemand neben oder hinter mir stand. Als ich wieder hörte: „Du musst warten, bis er kommt!“, schnellte ich in die Richtung des kleinen Mädchens, das mich weiterhin von unten anstarrte. Draußen war es inzwischen fast dunkel, aber ich konnte noch immer deutlich die schwarzen Pupillen in ihren weißen Augen sehen. „Du“ – einen Schritt ging ich näher – „musst“ – einen weiteren Schritt – „warten“ – ich blieb stehen – „bis“ – ich zögerte – „er“ – wieder blickte ich um mich – „kommt!“ Meine Nackenhaare sträubten sich. „Wer?“ fragte ich wieder. „Bis wer kommt?“ und „Wer ist er?“ Ich erhielt keine Antwort. Einen Moment später sagte sie: „Du musst warten, bis er kommt!“ Nervosität erfüllte mich. Ich lief in weiten Schritten auf sie zu, fasste sie bei den Schultern, schüttelte sie. Immer und immer wieder fragte ich sie „Wer ist er?“ Sie sagte jedoch nichts anderes als „Du musst warten, bis er kommt!“ Es wurde kühl im Haus, sehr kühl. Meine Anspannung wurde immer größer. Sie löste sich erst, als ich aus dem hinteren Teil des Hauses entfernte Geräusche hörte. Erst ein knackendes Schloss, dann das langsam kreischende Öffnen einer Tür. Noch immer hielt ich das Mädchen bei den Schultern. Aber nun drehte ich meine Kopf um. Aus dem hinteren Teil krachte es dumpf in einem langsamen Rhythmus. Einmal, zweimal, dreimal. Das abgedunkelte Stampfen kam langsam schleifend näher. „Wer ist er?“ schrie ich ein letztes Mal. Von hinten polterte es weiter auf uns zu. Das Mädchen reagierte nicht auf mich. Es starrte inzwischen auf die Tür am Ende des großen Zimmers und sagte regungslos „Er ist hier“ während das Stampfen hinter der Tür einhielt. Erst hörte ich gar nichts. Als ich mich aber immer schärfer auf mein Gehör konzentrierte, vernahm ich ein rasselndes Schnaufen. Erst ganz leise, dann immer deutlicher. Was oder wer dort kam, sah ich nicht mehr. Ich stieß das Mädchen zur Seite und sprang durch eines der zersplitterten Fenster. Über das Geländer der Veranda stolperte ich nur, ich lief neben dem Weg und sprang über den Zaun auf die Straße.

Er (Teil 2)

Hinter der Tür zeigte sich im Halbdunkel ein verstaubter großer Flur. Keine Möbel, kein Teppich waren zu sehen. Nichts hing an den Wänden. Von der Decke baumelte lediglich eine alte, vermutlich funktionsuntüchtige Petroleumlampe. Linker Hand war der Flur durch eine Tür von einem abgehenden Raum getrennt. Rechter Hand öffnete sich der Flur in ein weites Zimmer. Bis auf einen runden, mit Schnitzereien verzierten Tisch waren auch hier keine Möbel. Am hinteren Ende dieses Raums war eine weitere Tür, diese stand offen. Am Ende des Flurs dagegen wies eine breite Holztreppe in die obere Etage. Dort zeigte sich eine kleine Galerie, von der aus drei Türen weitere Räume verhießen. Langsam trat ich durch den Eingang in den Flur. Kaum ein Dutzend Schritte weiter gelangte ich zu der Treppe. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich musste in die obere Etage. Die Stufen kreischten und röchelten, als ich die Treppe betrat. Nur langsam überwand ich mich zu diesem Aufstieg. Eine Stufe nach der anderen nach der einen nach der anderen. Die fünfte und die sechste Stufe. Die siebte Stufe wirkte auch im Halbdunkel so morsch, dass ich sie übersprang und auf die achte Stufe trat. Und gerade als ich die neunte Stufe nehmen wollte, hörte ich die Eingangstür langsam zufallen und sich schließen. Ich spürte jemandes Anwesenheit. Nach einem Moment des Verharrens wandte ich mich langsam um. Ich setzte meinen linken Fuß auf die nächst untere Stufe und drehte den rechten Fuß auf seiner Position. Bei verschlossener Tür war der Raum deutlich finsterer als zuvor. Einen Moment musste ich meine Augen an das spärliche Licht gewöhnen, dann erkannte ich eine kleine Gestalt. Vor der Tür stand barfuß in einem zerlumpten, kurzärmeligen Kleid, das in früheren Zeiten vermutlich an Festtagen getragen wurde, ein kleines Mädchen mit langen weißblonden Haaren. Das Gesicht wirkte blutleer, fast schienen ihre Knochen durchzuschimmern. Allein um die großen Augen herum war es durch runde Schatten verdunkelt. Das Mädchen stand still und streckte die verschrammten und zerschlagenen Arme schräg zu Boden. Es sagte kein Wort. Langsam kletterte ich die Stufen nach unten in den Flur. Auch ich schwieg zunächst. Aber in mir stieg ein Gefühl auf, dass mich „ich muss wieder gehen!“ sagen ließ. Noch schwieg das Mädchen. Erst bevor ich den Flur erreichte, sagte es „Du musst warten, bis er kommt!“

Er (Teil 1)

Der Abend war noch nicht weit fortgeschritten. Obwohl sich am Horizont dunkle Wolken zusammenzogen, die nicht nach Gewitter aussahen, war es im Gegenteil erstaunlich hell. Das alte zweistöckige Haus am Ende der verlassenen Straße wirkte daher geradezu farbig und nicht so dunkelgrau, wie es sich in unseren Köpfen gewöhnlich darstellte. Die Fenster im Dach blickten taub und trübe. Ein verwachsener und verstürzter Zaun begrenzte den Garten zur Straße hin. Zwischen den Zaunlatten zwängten sich wenige unkrautige Pflanzen, die kaum noch grün, sondern eher farblos waren. Das niedrige Gartentor war zerbrochen. Die Scharniere waren kaum befestigt, sie hingen an letzten verrosteten Ecken an ihren Pfosten. Obwohl zerfressene Pflanzen den Garten überwuchert hatten, war auch an diesem Tag der sandig-schorfige Weg zur Veranda mit dem Eingang erkennbar. Der Boden war so trocken, dass sich keine Fußabdrücke abzeichneten, dennoch staubte er kaum. Am Ende des Weges leiteten zwei zertretene Stufen zu einer hölzernen Veranda. Auf beiden Seiten des Zugangs hockte je eine bissig blickende Dämonengestalt. Beide bleckten ihre Zähne, wellten ihre Zunge, als erwarteten sie jemanden. Geräusche waren nicht zu hören. Im Holz der Veranda, der Wände und der Eingangstür waren alle Maserungen erkennbar. Die ausgeblichenen Bohlen waren alle verzogen, sie berührten sich kaum, sondern waren oft durch große Spalten voneinander getrennt. Astlöcher schielten unheimlich aus einigen wenigen Brettern, als beobachteten sie die Umgebung des Hauses. Die Fenster links und rechts der Eingangstür waren zersplittert, nicht etwa einfach zerbrochen, nein, sie waren mit aller Gewalt zersplittert. Graue Leinenreste schaukelten zerfetzt hinter diesen Quarzstacheln. Der Messingknauf der Tür war matt, trotzdem konnte ich in ihm mein verzerrtes Spiegelbild sehen, als ich mich ihm zuwandt, um die Tür zu öffnen. Langsam griff meine Spiegelhand nach dem Knauf, wurde größer und größer, bis das Spiegelbild uneinsehbar in der Innenseite meiner Hand verschwand. Das Schloß klackte leise, als ich den Knauf drehte. Die verzogene Tür klemmte und quiekte bedenklich, als ich sie von ihrem Rahmen trennte.

Nichtsdestorotz liegt verzwurzelter Humps im Veilchenbeschleuniger

Ich liebe es, mich beim Schreiben zu vertippen und bekloppte Neologismen zu kreieren. Beispielsweise habe ich mal statt humos das lustige Wort humps entworfen, oder statt verwurzelt das onomatopoetisch wesentlich gelungenere verzwurzelt. Heute habe ich beim Korrekturlesen des Textes eines Freundes aber einen Verschreiber entdeckt, der mich besonders freute. Seine schnellen Finger erfanden auf der Tastatatur das Wort Nichtsdestorotz – herrlich!

Auch nicht zu verachten sind natürlich die Rechtschreibkontrollen in Programmen. OpenOffice schlug mir anstelle von Teilchenbeschleuniger eines Tages das Wort Veilchenbeschleuniger vor. Was um alles in der Welt ist das? Ein Blumentransporter?

Wie dem auch sei, ist es möglich, einen halbwegs sinnvollen (!) Satz aus diesen Wörtern zu bilden? Ich glaube, ich lass es lieber und beginne mit einer Geschichte mit dem Titel Er.

On an hourglass

My life is measur’d by this glasse, this glass
By all those little Sands that thorough passe
See how they presse, see how they strive, which shall
With greatest speed and greatest quicknesse fall
See how they raise a little Mount, and then
With their owne weight doe levell it agen.
But then th’have all got thorough, they give o’re
Their nimble sliding downe, and move no more.
Just such is man whose houres still forward run,
Being almost finisht ere they are begun,
So perfect nothings, such light blasts are we,
That ere w’are ought at all, we cease to be.
Do what we will, our hasty minutes fly,
And while we sleep what do we else but die?

John Hall