Theowulf Meltz oder die Verdummung des Volkes (7)

Dies alles sei in Meltzens Jugend geschehen, nun sei er aber doch freier Angestellter bei Dr. Klobusch, rüttelte Meltz sich aus seinen düsteren Erinnerungen erfolgreich wach.
Die Wohnung wirkte aufgeräumt. Sicher, hier und da stapelten sich Eisenbahnerkataloge und etliche Ausgaben des Magazins: „Unsere lieben Eisenbahnen von Gestern und Heute“. Ansonsten beunruhigte Meltz im ersten Moment nur wenig. Erst als er das Schlafzimmer betrat, wurde Meltz der drohenden Gefahr gewahr, die Glaak für die Menschheit noch zu bedeuten hatte, denn über seinem Bett hing das Poster einer Motorsäge mit der Aufschrift: the saw is the law! Meltz war erschrocken über diese unmenschliche Vereinfachung, doch die schlimmen Videos, die unter dem Bett des bisher so unscheinbaren Eisenbahners hervorquollen, zeigten offensichtlich, dass schon Glaak ein Opfer im weiteren Sinne war.
Meltz nahm einige Kassetten in die Hand. Titel wie „Das Texaner Schneiderlein“ oder „Schneiderkurs für Ilja Richters Diskoanzüge“ Teil 5 bis 14 zeigten Meltz, dass er richtig lag, und spätestens jetzt war ihm klar, dass Klobusch ihm heute die richtige Adresse gegeben hatte, und dass es nicht so ablaufen würde wie damals mit der Domina.
Ja, denn das war wirklich schlimm gewesen. Meltz sollte die Entführung von einem Lastwagen aufklären, der mit Millionen von Lollipops beladen war. Klobusch behauptete, er hätte die Adresse der Entführer herausgefunden, zu der Meltz dann sollte, um die armen Lutscher zu befreien. Doch Klobusch hatte ihm die Adresse der Domina Madame Janine Gelaque-Dolle gegeben, bei der Klobusch eine Woche später einen Termin hatte.
Als Meltz nun bei ihr erschien, erwartete sie den Buchhalter Gunter Nase, der ein besonderes Programm bei ihr gebucht hatte. Also wurde Meltz schnell von Janine gepackt, geknebelt und gefesselt. Erst Stunden später, als das gebuchte Programm vorbei war, entfesselte Janine unseren armen Theowulf, der es so natürlich nicht schaffen konnte, die Lollis zu befreien. Dadurch sind sie leider alle umgekommen, da die Entführer sie schon längst unter den Schulkinder des Städtchens verteilt hatten.
Meltz lief in Glaaks Wohnzimmer, in dem er über dem Sessel ein überdimensionales Poster der Sektenführerin Dr. Ulre Schubotz sah, die per Hypnose die Schäflein ihrer Brutalosekte „***“ beisammen hielt, als er plötzlich von der Wohnungstür her ein leises „Miez, miez!“ vernahm.
Sehr ruhig und dennoch den Umständen entsprechend angespannt schlich er in die Richtung des Geräusches, um zuletzt mit gezückter Waffe hinter einem Türrahmen hervorzuspringen und mit eben dieser Waffe auf das Fräulein zu zielen, das nämlich am Eingang der Glaakschen Wohnung stand. Das Fräulein freilich erschrak sehr und zuckte zusammen.

Wichs-Krebse

Diese Parvenus auf Sylt werden auch immer unverschämter und grausamer. Die normalen Stierkämpfe in der Tinnumburg reichen inzwischen nicht mehr, nicht einmal die Hundekämpfe in Archsum locken noch einen Neureichen von seinem Austernmal, nein, jetzt werden neuerdings Hummer und Langusten aufeinander gehetzt, um einen Kampf auf Leben und Tod auszufechten! Bei den Kämpfen sollen angeblich sechsstellige Beträge den Besitzer wechseln. Am schlimmsten finde ich aber, dass sowohl der Verlierer als auch der Gewinner hinterher verspeist werden! Einfach abstoßend, sowas!

Theowulf Meltz oder die Verdummung des Volkes (6)

Beim Betreten der Wohnung hatte Meltz ein déja vu. Er hatte damals schlussendlich für den Elefanten und sich im Altbau in der Parterre eine Unterkunft gefunden. Diese bestand aus einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft mit einem weiblichen Zwillingspärchen, welche Psychologie studierten, obwohl sie selber eine Behandlung nötig gehabt hätten, wie Meltz später bemerkte. Der vierte in dieser Wohnung war ein merkwürdiger Schwarzer, der sein kurzes Kraushaar – zunächst schlecht erkennbar – auf der rechten Seite trug sowie einen kurzen, kleinen Schnauzer hatte. Die betreffs des Elefanten befürchteten Probleme mit dem Vermieter hatte Meltz nicht, es handelte sich um eine Gesellschaft, die froh war, wenn sie pünktlich ihre Einnahmen zählen und die Mieten regelmäßig auf den Höchstsatz erhöhen konnte.
Gleichwohl wurde es etwas eng mit dem Elefanten, da Meltz überdies das kleinste Zimmer in der Wohngemeinschaft hatte; er konnte nur jede Nacht hoffen, dass der Elefant sich nachts nicht auf ihn rollte.
Als Meltz damals nachmittags um 15.00 Uhr eingezogen war, ist er zuerst einmal zum verspäteten Sektfrühstück der Zwillinge eingeladen worden. Wie Meltz später feststellen mußte, war dieses späte Frühstück ein durchaus übliches oder sogar beinahe tägliches Gebaren. Nach dem Sektfrühstück hatte Meltz eine Lampe an der Zimmerdecke befestigen wollen, jedoch einsehen müssen, dass er schon ziemlich angetrunken war und ohne die Mithilfe seines possierlichen Haustiers und dessen kräftigen Rüssels nicht an die sehr hohe Altbaudecke gelangt wäre.