Lilith: Taste ist schuld!

Es hat etwas gedauert, bis ich Lilith davon überzeugen konnte, dass sie von mir interviewt werden muss, wenn sie ihre Popularität endlich etwas steigern möchte. Bis sie sich dazu bereit erklärte, musste ich mehrere Wochen mit ihrem Agenten verhandeln. Agenten. Tä! Wenn ich damals schon gewusst hätte, was genau sie damit meint.

Als Treffpunkt einigten wir uns schließlich auf die Schuhfabrik, eine Art Jugendzentrum mit Musik und Ringelpiez. Da ich einen schweren Leberschaden befürchte, reise ich mit der Bahn an. Lilith lässt sich von ihrem Agenten zum Bahnhof fahren, wo ich zusteigen darf. Der Wagen mit getönten Scheiben schnurrt wie ein sizilianisches Kätzchen zu der ehemaligen Fabrik. Der Backsteinbau ist weitläufig, liegt teilweise im Dunkeln, in einem Viertel, das ich bei Tageslicht sicher nicht zu betreten wagte. Unwillkürlich frage ich mich, ob ich genügend Drogen dabei habe, um diesen Abend ohne größere Organschäden zu überleben. Ja, ich habe Angst.

Die Schuhfabrik wird von tätowierten Torstehern bewacht, die genau aufpassen, dass man seine Macheten und Schusswaffen vorzeigt. Hutnadeln und spitzige Ringe werden dagegen einkassiert. Der Blick verrät mir, dass ich sie nicht wiedersehen werde, und dass ich meinen Hut in Zukunft bei Wind mit den Händen festhalten muss.

Kein Wunder, dass ich mir in der Schuhfabrik erst mal ein wenig Mut antrinken muss, bevor das eigentliche Interview beginnt. Lilith hält mit wie ein Baum von einem Kerl. Äh, egal. Ich bewundere zwischenzeitlich die seltsamen Geräte, die aus der Fabrikzeit noch in der ein oder anderen Ecke angebracht sind. Schließlich ist es so weit: Ich hole mir nach einem Dutzend Bieren ein Tässchen Kaffee zur Magenpflege und bitte die Queen of fucking everything an ein kleines Stehtischchen.

Totte: Hallo, Lilith, nette Lokalität hier.
Lilith: Ey, warum sagste JETZT „Hallo“. Haste doch schon vor Stunden gesagt, als 007 und ich dich vom Bahnhof in K-Town abgeholt haben! Besoffen, wa‘?! Oder macht man das so, wenn man jemanden interviewt? (Lacht leicht angeschickert)
Das fängt ja schon mal super an. Kaum angefangen, schon gegen die Wand gefahren. Jetzt bleibt mir nur noch eine Chance, das Interview zu einem guten Ende zu führen. Anderenfalls könnte ich mich sicher auf eine engere Bekanntschaft mit der Faust des Torstehers gefasst machen.
Ja gut, wir haben das Interview ja nicht am Bahnhof angefangen. Es war jetzt nur eine Art einleitende Begrüßung – äh, ein bisschen wackelig, der Tisch, aber es wird gehen. Hauptsache, ich klecker nicht mit dem Kaffee. Was trinkst du da?
Woher soll ICH das wissen! Sieht aus wie Pils. Oder Kaffee. (Prostet zu)
Skål! – Kommen wir gleich zum Thema. Dein erstes Wort, also das erste Wort, das du jemals gesprochen hast, weißt du das noch? Beziehungsweise – hat man dir das gesagt?
Mama hat gesagt, das war „Mama“, und Papa hat gesagt, das war „Papa“. Kein Wunder, dass ich so behämmert bin bei den Erziehungsmethoden. (Lacht)
Und weißt du noch, was dein erstes englisches Wort war?
Das war sogar ein ganzer Kinderreim, hör mal: „Jack be nimble, Jack be quick, Jack jump over the candlestick.“ Hat Papa mir beigebracht. Ich wusste aber nie, was es bedeutet. Und schön, dass ich mich jetzt wieder daran erinnere. Danke. (Strahlt übers ganze Gesicht)
Gibt es eine Sprache, die du nicht sprichst, die du aber gern sprechen können würdest?
Joah, Italienisch würde ich sehr gerne lernen, weil sich diese Sprache sehr melodisch anhört. Und die Schimpfworte sind natürlich 1 a mit Sternchen. Strrronzo … wie schön das auf der Zunge rollt. Oder: testa die cazzo!

Lilith fuchtelt dazu begeistert mit den Händen in der Luft herum, als würde sie gerade auf dem Marktplatz einer italienischen Kleinstadt mit den Carabinieri verhandeln. In dem Handgemenge wackelt der Tisch.

Hör mal zu, wenn ich Dir was erkläre. Vorsicht … Dein KAFFEE! … zu spät … moah!

Lilith rollt mit den Augen, als hätte ich gerade ihre Schuhe beleidigt. Und zwar jedes Paar einzeln. Ich versuche abzulenken.

Schau dir mal die Schuhe von dem Typen da hinten an. Sind das Adidas mit Klettverschluss? Kommt der direkt aus den 80ern?
Das is ne ACHTZIGER-Party hier, Totte, wir scheinen die einzigen zu sein, die nix im 80er Style tragen! Und gleich zeigste mir mal deine coolen Moves!
Dir ist schon klar, dass ich dann auf den Schlag drei Weiber hier stehen habe, die mir an die Wäsche wollen?

Lilith grinst, nickt dazu. Ich deute nur gaaaaaaanz vorsichtig die ersten Ansätze des langweiligsten coolen Moves an, den ich beherrsche, aber da ist es auch schon vorbei. Den Rest des Interviews werden wir von jungen Damen umringt. Ich bin froh, dass ich die Taschen meiner Jeans zu Hause noch zugenäht hatte.

Ich weiß, wir alle wissen, dass du Schuhe sammelst. Kannst du aus dem Stand sagen, wie viele Paare du hast?
Um die 80 schätze ich mal, ich verschenk ja immer wieder mal welche, da verliert man leicht den Überblick, aber sammeln tu ich die nicht. Die BRAUCH ich ja alle. Sammeln tut man Dinge, die man in irgend eine Vitrine stellt zum Angucken und so, verstehste?
Das ist ein Argument. Weiß 007, wie viele es sind? So ungefähr?

Lilith platzt fast vor Lachen. Sie dreht sich lachend einmal um sich selbst und meint:
HAAA! Ich lach mich tot! Woher soll DER das wissen??? Das ist ja fast so, als wenn man MICH fragen würde, wieviele WoW Männekes 007 am Start hat!
Du kaufst nicht nur Schuhe, die dir passen, sondern greifst auch mal bei einem Paar zu, die dir zu groß oder zu klein sind. Was empfindest du dabei, solch ein Paar Schuhe zu besitzen?
Ja, stimmt, aber NUR, weil ich hoffe, dass die doch passen zu Hause. Also, wenn ich die dann eingelaufen habe Â… unter Schmerzen Â…
Ah, okay!
Â… und wenn nicht, liebe ich sie trotzdem und schau sie mir immer mal wieder an.
Apropos 007. Ich vermute, nicht jeder deiner Fans kennt die Geschichte, wie 007 zu seinem Namen 007 gekommen ist. Magst du sie uns kurz erzählen?
Boah, das ist Taste schuld!

Taste. Den Namen kenne ich. Taste ist die Frau, die ich schon aus Wunschbrunnen gerettet habe, als Lilith noch fleißig Spagat geübt hat. Taste kann ein Schaf mit einem Handkantenschlag töten. Und mit einem Fußtritt Lammkoteletts wiederbeleben. Diese Frau ist mindestens so gefährlich wie der Top-Agent der Queen. Und mir wird klar: Ich stehe der Frau gegenüber, die diese Frau kennt und ihren Mann als 007 bezeichnet. Ein eiskalter Schauder läuft mir den Rücken hinab.

Und das kam so: Als Taste und ich uns im Blog kennengelernt hatten vor etwa 5 Jahren, hat sie mal von 007, der damals noch nicht 007 hieß, logisch, geträumt. Und zwar rodelte er in typischer James-Bond-Manier einen GIGANTISCHEN schneebedeckten Abhang hinunter, um seinen Verfolgern zu entkommen! Tollkühn und mutig, allerdings auf einem Pizzateller. … was lachst Du denn so blöd, Totte? Hä?!
(Lacht) Tschuldige, diese Bilder Â…
Komm, lass noch einen trinken!

Lilith strahlt in die Runde und hält Ausschau nach dem Kellner. Nach der Geschichte war klar, das war keine Einladung, das war ein Befehl. Ich hoffe nur, dass der Köbes den Befehl auch mitbekommt. Ich möchte nämlich nicht erleben, was bei einer Befehlsverweigerung passiert.

Kleiner Themenwechsel. Sag mal, was bedeutet dir Familie?
Alles. Und ich werde zur Wildsau, wenn jemand meinen Schwestern etwas will. Meine Eltern sind leider verstorben, also sind meine Schwestern mit ihren Partnern und Kindern meine Familie.
Ein Teil deiner Familie lebt in England, ich weiß, dass du auch gern später da hinziehen möchtest. Kannst du in einem Satz sagen, was dich an diesem Land beeindruckt?
In einem Satz Â… DU bist gut.
Tja, keiner sagt, dass meine Interviews leicht sind.
Ich versuchs mal. Also, in erster Linie die Lockerheit der Menschen dort, ihr Humor, ihre Herzlichkeit und natürlich die Landschaft, besonders Wales ist wunderwunderschön.
Ja, diese Lockerheit kann ich nachvollziehen. Wobei ich das in Schottland noch deutlicher fand als beispielsweise in London. Aber zurück zur Familie – es heißt, du würdest gern ein weiteres Familienmitglied haben, einen Hund, genau genommen einen Mops. Weißt du schon, wie der heißen würde?
Prudence. Ich will nämlich ein schwarzes Mops-Mädchen. Und Prudence bekommt ein lila Halsband mit Strasssteinen drauf.

Lilith bekommt einen verträumten Blick. So knallhart, wie ich hier recherchiere, ist mir klar, dass ich nachhaken muss. Ich blättere in meinem Moleskine, was ich mir noch für Notizen zu diesem Interview vorbereitet habe. Leider finde ich nicht direkt die richtige Seite und muss improvisieren.

Äh, warum Prudence?

Wie, WARUM? Was ist das denn für ne blöde Frage? Haste die auch in Deinem Moleskine aufgeschrieben? ZEIG mal!

Lilith reißt mir furiengleich das Notizbuch aus den Händen und kritzelt wild drin herum. Ich bin entsetzt. Vor allem weil mir bewusst wird, dass ich schon zu betrunken bin, um noch mit meinem geckogleichen Reaktionsvermögen handeln zu können.

So!
Ich hab es geahnt. I c h h a b e s g e a a a h n t ! ! – Glaubst du an Schicksal?
‚türlich. Das ist ne sehr praktische Sache, das Schicksal, weil man sich dann keine Gedanken mehr machen muss über die Zukunft. Was kommt, das kommt. So einfach ist das.

In dem Moment kommt auch schon die nächste Runde. Der Abend geht weiter. An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern. Da sind fremde Frauen, die ich unflätig beleidige, weil sie Bier verschütten. Da sind geschnorrte Zigaretten und das unbändige Bedürfnis, sie ungeraucht zu verspeisen, wie es Ziegen tun (also mit Filter). Da sind große Erinnerungslücken, ein Hauseingang mit einem knutschenden Paar und meine Wenigkeit, die von diesem Paar wegläuft, um die Mauer gegenüber vollzureihern. Und schließlich ist da 007. Der Top-Agent, der mich zu meinem nächsten Einsatzort bringt.

Am nächsten Tag erhalte ich eine verschlüsselte Botschaft. Was immer in dem Moleskine stünde, es sei nicht so gemeint. Es dauert ein paar Stunden, bis ich in der Lage bin, zu meinem Moleskine zu kriechen und die einzelnen Seiten nacheinander umzublättern, bis ich den inkriminierten Eintrag finde. Meine Zunge sträubt sich, die Unflätigkeiten zu lesen …

Weitere Interviews aus dieser Reihe findet ihr hier.

150 Gedanken zu “Lilith: Taste ist schuld!

    1. Schon wieder da treffen? Wie soll meine Leber das mitmachen? Ich mein, ich steh ja schon auf einer Spenderwarteliste, aber Â… 8|
      Außerdem – was willst Du mich denn fragen? Ich hab doch nix zu erzählen. Wenn ich wenigstens jemanden aus Köln kennen würde, aber so?!

      1. Meinetwegen auch in ner anderen Kaschemme, is mir wumpe. Hauptsache Bier und laute Musik und ey, mach Dir mal keine Sorgen, ich hab schon 1000 Fragen für Dich im Kopp! 😀

        tuste ja jetzt.^^

    2. DAS ist doch mal ne verdammt gute Idee, das mit dem Gegeninterview. Ich bin sicher, der Bericht der lila Lady wird dann ähnlich amüsant zu lesen wie deiner, Totte. :DD

      Also, … ICH WARTE. *TrommeltungeduldigmitdenFingernaufmdemSchreibtischherum.*

          1. Und du glaubst tatsächlich, dass er diese „ach so geheime Mission“ nicht für seine lila Lady unterbrechen würde, um dir auf den Zahn zu fühlen? |-|

          1. Ich habe auch auch kein einziges Wörtchen verraten. Ich habe nur Suppenstiele … äh … subtile Andeutungen aus meiner Zuckerschnute tropfen lassen … ;D

          2. Ich erwäge ernsthaft, mir diese Apparatur im Hals einoperieren zu lassen, die Alkohol sofort neutralisiert. Ich kenne da ne Klinik in Casablanca … :>

          3. Was für eine gruselige Vorstellung! Und wer weiß, wie deine Stimme hinterher klingen würde, Totte! Mensch, wir wollten doch noch diesen Text zusammen einlesen! Was, wenn ich nach deinem Eingriff die Männerstimme lesen muss und du die Frauenstimme?! 8|

          4. Ich bitte dich sehr darum, denn du hast wirklich eine schöne tiefe und männliche Stimme. Es wäre extrem schade, wenn du dir die wegoperieren lassen würdest.

  1. Tottinger, die bewegen sich noch auf der Rechercheleistung des Landboten.
    Sie sollten trinkfester werden und dann aus dieser Person hinter dem lila Tarnschirm alles heraus arbeiten.
    Gez. Mrs. Turkey
    (Unterwegs im Auftrag der dunklen Seite des Blogs)

          1. ja, das ist es. ich finde diesen neumodischen kram ja auch ganz fürchterlich, aber manchmal führt halt kein weg dran vorbei… 😉

      1. Jetzt nicht mehr, wir haben gleich nen Vergleich gemacht und sie sind jetzt sogar im Plus. Das heisst wir sind ihnen sogar was schuldig :.
        Ihre Interviews verkaufen sich prächtig in den Klatschspalten weltweit :yes:

  2. Taste ist nicht schuld, sie hat nur seine wahre identität aufgedeckt! *ha*

    Doc, ich mag deine inter.. ähhh befrag.., äh berichte – ja, genau berichte. das wars

    zugenähte jeanstaschen? aha, sehr bedenklich wenn man vorher nen schlüssel da hineingesteckt hat *gg*

    1. Dann wisst Ihr alle, dass ich Batman bin? *schock!*

      Ich hatte sie ja zu Hause zugenäht. Nachteil war, dass ich den Schlüssel schon da verloren hab, weil ich ihn gar nicht in die Tasche bekommen habe.

          1. „Fledermäuse trinken nicht, wenn sie kopfüber hängen. Diese Position nehmen sie ausschließlich ein, um sich auszuruhen. Sie krallen sich mit ihren Fußkrallen an kleinen Unebenheiten fest. Fledermäuse trinken, jagen und ernähren sich im Fluge. Sie brauchen zum Trinken also offene Süßwasserquellen wie Teiche, Flüsse,…“

            hilft uns das weiter? ROBIN! du alte saufziege! *tse*

          2. robin ist nach meiner these eine „übungsfledermaus“ oder eine art „fledermausanwärter“ – also er übt etwas fledern und so

            was bist du? eine fledermaus? aha – ich muss dich mal mit anderen augen betrachten… *gg*
            du bist nicht die „saufziege“ oder? *duck und wechgefledert*

          3. mäuse tragen lederjacken? ok, eine sorte gibt es, denen traue ich das zu – die frechsten mäuse sind spitzmäuse – die haben vor nichts respekt nicht einmal große hunde verschonen sie mit ihren pöbeleien…

          4. das sagst du mir jetzt erst? das hätte ich früher wissen müssen, dann hätte ich ganz etwas anderes geantwortet. echt!
            (ganz ehrlich? wenn man die farbe der tiere wegnimmt bleibt ein pis? – komisches Tier)

          5. 3.14159265358979323846264338327950288419716939937510582097494459
            2307816406286208998628034825342117067982148086513282306647093844
            6095505822317253594081284811174502841027019385211055596446229489
            5493038196442881097566593344612847564823378678316527120190914564
            8566923460348610454326648213393607260249141273724587006606315588
            1748815209209628292540917153643678925903600113305305488204665213
            8414695194151160943305727036575959195309218611738193261179310511
            854807446237996274956735188575272489122793818301194912Â…
            so in etwa?

  3. Toll. Toll. Tolles Interview. Sehr schön. 🙂 Und ich habe es nie gelesen und Ihr habt mich nie daran erinnert. Und eigentlich wollte ich was ganz anderes suchen hier… tja… so vergeht der Tag.

    1. Das Interview mit Muffy hast Du aber schon gelesen?
      (Mist, ich hab schon seit Monaten Fragen für Captain Cook vorbereitet, komme aber nicht dazu, das Interview durchzuziehen.)

      1. Interview mit Muffy? Ich weiß nicht (mehr) genau. Finde es aber hier auch nicht. Hab unter Interview und Muffy geguckt. Gimme a link.

        (Stimmt… ich habe gerade das hier gelesen :DD von DocTotte @ 18.04.2013 – 20:20:20
        [ … ] hier lang. PS: Und richtig, Captain, ich werkle schon an Deinem Interview, ich werde Dir die Fragen vermutlich noch vor dem Sommer stellen.

          1. Ja und? Der Sommer 2015 z.B. hat ja noch nicht mal angefangen. Außerdem würde das Interview, so es denn tatsächlich noch stattfände, sicher nicht mehr bei Blog.de erscheinen. Hier ist definitiv der Kasper von der Bühne.

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